Reformprozess Kinder- und Jugendhilfe und „Wegweiser Verfahrenslots*innen - Entwicklung eines qualifizierenden Curriculums für eine inklusive Kinder- und Jugendhilfe“

Projekt vom BvkE und EREV zum Reformprozess "Verfahrenslots/-innen"

Projektzeitraum: Oktober 2022 bis Dezember 2023

Hier geht´s zur Projekt-Homepage

1.      Ausgangssituation

Am 27. Juni 2022 hat das Bundesfamilienministerium im Rahmen der digitalen Auftaktveranstaltung „Gemeinsam zum Ziel: Wir gestalten die Inklusive Kinder- und Jugendhilfe!“ einen strukturierten Beteiligungsprozess zur Umsetzung der „Inklusiven Lösung“ gestartet.

Dieser Prozess hat nun weiter an Fahrt aufgenommen und so fand ein erstes Gespräch mit der Familienministerin Lisa Paus, Staatssekretärin Ekin Deligöz und den Bundesfachverbänden der Erziehungshilfen, Behindertenhilfe und Selbstvertretungen im Oktober statt.

2.      Inhaltliche Schwerpunkte und Struktur der Gesetzesreform

Der Reformprozess soll mit der übergreifenden Arbeitsgruppe am 17. November 2022 starten und bis Ende 2023 mit vier Sitzungen abgeschlossen sein. Die Gesetzesreform soll noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden. Im Mittelpunkt des Reformprozesses stehen drei Bausteine: Forschung mit den Themen Verwaltungsreform, Umsetzung der Einführung der Verfahrenslots*innen, Gesetzesfolgenabschätzung sowie Beteiligung von sechs Säulen in der AG und Einbeziehung der Selbstvertretungen aus der Kinder- und Jugendhilfe und Behindertenhilfe.

Im Rahmen der Säulen, die in der AG einbezogen werden, gehören ebenso wie im letzten Reformprozess die Ministerien  aus  den Bereichen Finanzen, Gesundheit, Soziales ebenso dazu, wie die öffentlichen Träger mit den Bundesländern und Kommunen, Fachverbänden der beiden Systeme, Verbände der Kinder- und Jugendhilfe sowie die Selbstvertretungen. Insgesamt werden rund 80 Personen in der AG mitwirken. Im Rahmen von Arbeitspapieren erhalten die Teilnehmenden die Gelegenheit, zu den einzelnen Punkten Stellung zu nehmen. Daneben wird es wieder die Möglichkeit geben, sich über eine eingerichtete Internetseite an der Diskussion zu beteiligen.

Inhaltlich werden beispielsweise Fragen diskutiert wie:

  • Welche Tatbestandsvoraussetzungen der Leistungen soll es geben:  zwei Türen für die jungen Menschen und Familien zum Hilfesystem oder ein Zugang?;
  • Wie wird Kostenheranziehung in einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe gestaltet?;  
  • Wie sind inklusive Hilfen für Kinder bis zur Einschulung zu garantieren?
  • Welche Stolpersteine und Hemmnisse  müssen auf dem Weg zu einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe überwunden werden?

3.      Fokus „Wegweiser Verfahrenslots*innen – Entwicklung eines qualifizierten Curriculums für eine inklusive Kinder und Jugendhilfe“

Forschung stellt in dem Reformprozess eine wichtige Säule dar, um Handlungsempfehlungen für die Praxis auf eine empirische Grundlage zu stellen.  Eines der drängendsten Themen ist dabei die Einführung der Verfahrenslots*innen. Der BVkE hat mit dem EREV gemeinsam das Projekt Inklusion jetzt! auf den Weg gebracht. Hieraus ist der Impuls entstanden, sich in die Entwicklung des Curriculums zur Qualifizierung der Verfahrenslots*innen aktiv einzubringen. Das Familienministerium hat entschieden, dass dieses als ein besonderes Vorhaben des Bundes von den beiden Fachverbänden realisiert wird. Der Projektzeitraum ist von Oktober 2022 bis Dezember 2023.

Das Ziel des Vorhabens zur Erfüllung besonderer Aufgaben des Bundes „Wegweiser Verfahrenslots*innen – Entwicklung eines qualifizierenden Curriculums für eine inklusive Kinder- und Jugendhilfe“ ist es, die gesetzlich vorgesehene Implementierung von Verfahrenslots*innen in der öffentlichen Jugendhilfe an einem systematisch entwickelten und konsensuell abgestimmten qualifizierenden Fortbildungsrahmens für ihre Qualifizierung auszurichten und umzusetzen. Durch einen systematischen Konsensbildungsprozess sollen gemeinsam mit einem Netzwerk von Expert*innen und strukturverantwortlichen Akteur*innen fundierte Empfehlungen für ein flächendeckendes Weiterbildungskonzept erstellt und unter Berücksichtigung regionaler Spezifika durch eine wissenschaftliche Begleitung evaluiert werden. Das so entwickelte Curriculum soll erstens die öffentlichen Jugendhilfeträger bei der Gewinnung und Qualifizierung der Verfahrenslots*innen unterstützen und sich zweitens daran orientieren, dass die Verfahrenslots*innen in ihrem Beratungsauftrag den Bedarfen der leistungsberechtigten Adressat*innen gerecht werden können.  Für die freien Träger sollen Fachkräfte für Inklusion den Bereich der Entwicklung der Organisationen und inhaltlichen Begleitung der jungen Menschen und Familien wahrnehmen können.

Dadurch sollen letztlich bestehende Schnittstellenproblematiken im Leistungssystem für junge Menschen und Familien mit Behinderungen dauerhaft überwunden und eine systematische Zusammenführung der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche unter dem Dach des SGB VIII bewerkstelligt werden. Durch das zu erarbeitende Curriculum können die Verfahrenslots*innen dazu befähigt werden, diesen Prozess in den rund 600 Jugendämtern qualitativ zu begleiten und ihren Beratungsauftrag fachkundig wahrzunehmen.

3.1  Inhaltliche Schwerpunkte des Curriculums

Die Erfahrungen aus dem bundesweiten Modellprojekt Inklusion jetzt! zeigen, dass eine inklusive Kinder- und Jugendhilfe nur dann gelingen kann, wenn sich öffentliche und freie Träger dieser Verantwortung gemeinsam stellen. Es wird immer deutlicher, dass eine inklusive Infrastrukturentwicklung nur dialogisch mit und im Sinne der Adressat*innen gestaltet werden kann. Das Modellprojekt Inklusion jetzt! stellt dabei erste Eckpfeiler und Handlungsbedarfe mit Blick auf die Etablierung der Verfahrenslots*innen heraus. Aus diesen lassen sich bereits erste Inhalte, Rahmenbedingungen, Anforderungen, Qualitätsmerkmale und Stellschrauben für ein konsensfähiges Curriculum zur Qualifizierung der Verfahrenslots*innen ableiten. Im Rahmen der Einführung der Verfahrenslots*innen sind drei Bausteine angedacht. Die Module 1 und 3 beziehen sich im Wesentlichen auf die digitale Umsetzung und werden durch die Iresa GmbH wahrgenommen. Das Modul II Curriculum stellt die inhaltlichen Schwerpunkte und den Abstimmungsprozess der Beteiligten in den Mittelpunkt. 

Entscheidende Stellschrauben in der Umsetzung des Instruments der Verfahrenslots*innen sind:

  •  Die Fachlichkeit und Qualifizierung, insbesondere in den Bereichen Recht, Inklusion und Teilhabe, Soziale Arbeit/Sozialpädagogik sowie Verwaltung und Administration
  • Das Selbstverständnis und die inklusive Haltung
  • Die Barrierefreiheit in Kommunikation und Beratung
  • Die Rolle im Hilfeverlauf
  • Die strukturelle Einbindung in die Verfahrensprozesse
  • Die Sicherstellung der Unabhängigkeit gegenüber öffentlichen und freien Trägern
  • Die personelle Ausstattung
  • Die Rückkopplung an das jeweilige Organisationssystem
  • Die Initiierung von Organisationsentwicklungsprozessen
  • Die Einbindung in bestehende Netzwerke
  • Die Abgrenzung zur ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung
  • Der Zugang zu der Zielgruppe junger Menschen mit Behinderungen und ihrer Eltern
  • Die Übergangsgestaltung bei einem Leistungswechsel
  • Die Einbindung in kommunale Planungsprozesse

Wie diesen Stellschrauben begegnet werden kann, dazu gibt es in dem Diskurs der Kinder- und Jugendhilfe bereits unterschiedliche Positionierungen und Projekte (vgl. BbP 2022, DIJuF 2022, Eilers 2022). Zugleich gilt es sicherzustellen, dass die Verfahrenslots*innen nicht zu einer Versäulung der Systeme beitragen, sondern den Transformationsprozess der öffentlichen Jugendhilfeträger im Sinne des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes voranbringen und die inklusive Weiterentwicklung der freien Träger fördern. Diesen komplexen Aufgaben können die entsprechenden Fachkräfte nur durch ein praxisnahes und interdisziplinäres Fortbildungscurriculum gerecht werden. Um dem umfassenden Fortbildungsbedarf zu begegnen, die regionalen Spezifika der Kommunen zu berücksichtigen und dabei einen Konsens in der flächendeckenden Qualifizierung der Verfahrenslots*innen zu erreichen, braucht es abgestimmte Empfehlungen für das Curriculum.

Um dieses zu erreichen, werden analog zum Reformprozess der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe die Zielgruppen wie in der Arbeitsgruppe beteiligt.

Um Synergien zu bündeln und auf einen breiten Erfahrungsschatz zurückgreifen zu können, wird das besondere Vorhaben des Bundes eng an das Modellprojekt Inklusion jetzt! angebunden.

4.      Fazit

Der Reformprozess der inklusiven Kinder und Jugendhilfe ist ein Vorhaben, welches seit der Einführung des SGB VIII 1990 immer wieder in den Blick genommen wurde. Es ist nun an der Zeit für alle jungen Menschen, den Zugang zu den Hilfen und Leistungen des SGB VIII zu ermöglichen. Hierin verbergen sich eine Fülle von Detailfragen, die nur in der Praxis beantwortet werden können. Der Prozess wird sicherlich angesichts der Komplexität einige Stolpersteine beinhalten. Das Ziel der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe rechtfertigt es, diesen Prozess nun in die gesetzgeberische Umsetzung zu bringen. Das Projekt des Wegweisers für die Verfahrenslots*innen ist hierbei ein wesentlicher Baustein zur Orientierung für die öffentlichen und freien Träger und dient den jungen Menschen und Familien, um sich in der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe zurechtzufinden.

 

Freiburg / Hannover 07. Oktober 2022

 

Bundesverband Caritas Kinder- und Jugendhilfe e.V. und Evangelischer Erziehungsverband e.V., Verantwortlich "Wegweiser Verfahrenslots*innen": Daniel Kieslinger, stv. Geschäftsführer BVkE, BVkE e.V., Bundesverband Caritas Kinder- und Jugendhilfe e.V., Karlstraße 40, 79104 Freiburg

E-Mail daniel.kieslinger@caritas.de

Telefon 07 61 / 200 763, Mobil 01515 / 7806189, www.bvke.de

Amtsgericht Freiburg VR 239

Evangelischer Erziehunsgverband e.V., EREV,  Judith Owsianowski, Referentin EREV, Flüggestr.21, 30161 Hannover

E-Mail j.owsianowski@erev.de 

Telefon 0511 / 390 881 21, Mobil 0151 / 26585601
www.erev.de

VR 4217 Amtsgericht Hannover